Börkum hett Tied för di | Breite 53´33´N | Länge 6´45´E

Böskupp van Börkum

Aus Borkums ärmster Zeit

– um 1800
Borkum

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Der so schnelle wirtschaftliche Aufstieg und der noch plötzlichere Niedergang der blühenden ökonomischen Entwicklung einer Inselbevölkerung während eines Jahrhunderts kennzeichnet deutlich beweiskräftig, wie sehr immer wieder die Geschicke einer Insel eng verbunden sind mit dem Kampf der Bevölkerung um ihre Existenzgrundlage. Zum andern zeigt sich aber auch, wie stark durch die insulare Abgeschlossenheit die Möglichkeit zum Leben auf einer Insel weit größer abgrenzt, ja eingeengt sind und viel stärker und schneller gestört zu werden vermögen, als es bei einer Bevölkerung auf dem Festlande der Fall ist.

 

Da lebt noch gegen 1780 eine Inselbevölkerung in einem recht begüterten Wohlstand. Die Streusiedlung des Fischerdorfes hat sich nicht in dem Maße flächenmäßig erweitert, wie die Bevölkerung zugenommen hat. Sie hat sich wohl nach Südwesten, Westen und Nordwesten weiter ausgedehnt, und an der heutigen Hindenburgstraße standen einige Kommandeurhäuser. In der Hauptsache aber ist die Besiedlung innerhalb des Ortes eine Dichtere geworden. Überschaut man um diese Zeit die ganze Insel, so ist im Westen und Nordwesten eine starke Dünenkettenabnahme am Strande zu beobachten, während im sogenannten Tüskendörgebiet noch immer die Zweiteilung der Insel festzustellen ist.

 

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Trotzdem wagen es die ersten Borkumer, 1752, mit der Besiedelung des Ostlandes zu beginnen. Es sind Steffen Akkermann, der Sohn des Borkumer Vogts, Roelof Steffens Akkermann, und Jakob Peters Meyer, ein Verwandter des letzteren. Erst viel später – von 1830 ab – verengt sich die Lücke durch Sandaufwehung und Schlickaufhäufung, und zwar durch Eingrabung von Tausenden Stohbündeln. Dazwischen pflanzt man „Helm“ (Strandhafer und Strandroggen). Eine Dünenanlage bildet sich. Die Hannoversche Regierung (Ostfriesland und die Inseln gehören seit 1815 zum Königreich Hannover) schickt zusätzliche Arbeitskräfte vom Festland herüber, und 1864 gelingt es mit gemeinsamen Kräften, einen festen Damm zu errichten, den noch heute erkenntlichen „Hinterwall“ aufzuwerfen und damit die große Lücke zwischen beiden Inseln (das sogenannte Intervall) zu schließen. So sind wir erst seit gut 100 Jahren wieder eine Insel.

 

Doch zurück nun zu der wirtschaftlichen Lage um 1800. Plötzlich ist das Ende des Walfangs da. Und schneller, als man ahnt, ist der Reichtum zu Ende, zumal die in Holland angelegten Kapitalien festliegen. Ebenfalls rächt sich jetzt die Vernachlässigung der Gärten und Ländereien. Zu den weiteren Folgen dieses Niedergangs gesellen sich dann noch am Anfang des 19. Jahrhunderts geschichtliche Geschehnisse. Es sind, wie schon erwähnt, die napoleonischen Kriege. Nach den preußischen Niederlagen von 1806/07 kommt es auch zur Einstellung der Walfängerei von Hamburg aus. Unsere Insel wird bis 1810 Holländisch und gerät dann von 1811 bis 1813 unter direkte französische Regentschaft. Zwecks Durchführung und Überwachung der Kontinentalsperre macht sich eine französische Besatzung hier breit. Da die Borkumer Männer zum größten Teil fehlen, müssen die Frauen bei der Errichtung der Franzosenschanze, die noch heute in den binnenwiesen als viereckiger Wall betrachtet werden kann, an den Erdarbeiten mithelfen. Zum anderen muss das fremde Militär von den schon verarmten Insulanern einquartiert und verpflegt werden. Viel Rühmliches hört man nicht von den fremden Soldaten. So wird aus der Kirche am Alten Leuchtturm ein Teil der Bänke zwecks Verfeuerung herausgerissen.

All diese äußeren und inneren Umstände und Ereignisse führen schließlich das Inselvölkchen gegen 1830 in die tiefste Armut aller Zeiten. Ihre 180 Häuser verfallen von 1870 an langsam mehr und mehr. Die an der heutigen Hindenburgstraße stehenden Kommandeurhäuser werden vom Dünensand verschüttet, und andere sind unbewohnt und verlassen. Die Bevölkerung wird schließlich so arm, dass sie nicht einmal aus eigenen Kräften und mit eigenen Mitteln in der Lage ist, ihre in verfall geratene Walfängerkirche wiederherrichten zu können. So muss ein Teil der erforderlichen Kosten aus der Strandung eines Schiffes, der andere durch Sammlungen auf dem Festlande erbeten werden, um das vierte Gotteshaus um 1805 an derselben Stelle, nämlich als Anbau an den Turm, neuerrichten zu können. Mit dieser einen Kirche auf der Insel haben wir immer noch zu dieser Zeit eine einzige ev. – ref. Kirchengemeinde. Das Spitzdach des Turmes jedoch wird in den kommenden Jahren abgetragen. Dann erhöht man ihn auf 45 Meter, setzt eine Glaskuppel darauf mit 27 Fenstern. Hinter dies stellt man am 12.08.1817 von Hamburg gelieferte Öllampen, die ein sehr dürftiges licht ausstrahlen. Damit erhält unsere Insel den ersten Leuchtturm.

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Wie jämmerlich es zu Anfang dieses 19. Jahrhunderts mit unserem jetzt so blühenden, schönen Eilande bestellt gewesen sein muss, ersehen wir aus einem Bericht des Pastors Bilker aus dem Jahre 1818. Er schreibt folgendermaßen: „Nur zu wahr ist es, dass die hiesige Insel arm sei. Der Schullehrer und ich empfinden es nur allzu sehr; denn ersterer hat um Ostern des Jahres von nur fünf Familie und ich von nur 30 Familien das „Salär“ (Gehalt) erhalten. Wenn die Vorsehung diesen Winter einen strengen Frost und keine Heringe gegeben hätte, so wären hier mehrere Personen vor Hunger gestorben; denn es gibt mehrere Familien, die, wir mir berichtet worden ist, des Morgens, des Mittags und Abends nichts anderes als Heringe gegessen haben.“ Notgedrungen werden die Insulaner also wieder strebsamer. Die Gärten werden sorgfältiger und fleißiger bestellt und die Wiesen durch Entwässerung und Bedüngung erträglicher gestaltet. Neben der Viehhaltung, die verstärkt wieder betrieben wird, denkt man auch an die Erweiterung der Fischerei.

 

Eins mag aber noch anlässlich der französischer Besatzungs- und Regierungszeit nicht unerwähnt bleiben. Seit der französischen Besatzungszeit gibt es in allen Landgemeinden, also auch auf unsrer Insel, Orts – und Gemeindevorsteher, denen ein beigeordneter zu etwaiger Hilfe und Stellvertretung beigegeben ist. Der Gemeindevorsteher wird von stimmberechtigten Interessenten auf sechs Jahre gewählt. Größere Gemeinden, zu denen auch Borkum gehört, haben neben dem Vorsteher und dem beigeordneten noch einen Ausschuss. Derselbe besteht aus 12 Mitgliedern, die ebenfalls von den Stimmberechtigten – aber nur auf ein Jahr – gewählt werden. Jedes Jahr fällt die Hälfte des Ausschusses aus, und zwar nach Dienstalter. Gemeindevorstand und Ausschuss verwalten damit die Gemeindeangelegenheiten auch auf unserer Insel wieder selbstständig. Die vogtstelle auf Borkum wird von der Regierung beibehalten, wenn auch der Titel „Amtsvogt“ fortfällt. Der Nachfolger des letzten Beamten, welcher diesen Titel führte, nannte sich Hilfsbeamter des Landrats. Der spätere Titel war „Königlicher Polizeirat“, ihm war der Gendarm unterstellt.

 

Dieser jemals tiefste wirtschaftliche Niedergang spiegelt sich in folgendem Dorfbild wider. Schon 1784 zählt man 100 Menschen weniger, nämlich 732, 1811 sind es nur noch 406. Von den ehemals 180 Häusern stehen um 1806 in dem armseligen Fischerdörfchen nur noch 113.

 

Aber auch sie verfallen mehr und mehr. Es sind kleine, einfache Inselhäuschen, die sich aufgliedern in Wohnung, Stall und Scheune. Das sogenannte „Vorhaus“ enthält eine mit Steinen gepflasterte Sommerküche, eine gedielte Winterküche mit dem offenen Feuerherd und den mit weißen oder bunten „Estern“ (Fliesen) ausgekleideten wandflächen, den Milchkeller und den Piesel (kleine Abstellkammer ohne Fenster). Als Nachtlager hatte man in den Küchen Wandbetten, sogenannte Butzen (Alkoven). Die Stallung mit den kleinen Heugulf und die Scheune waren mit diesem Wohnhaus verbunden.

Quellennachweis: Aus Borkums ärmster Zeit – um 1800 | Wilhelm Pötter | KVB 125J Nordseeheilbad Borkum | Erarbeitet durch Schönbeck Borkum

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